Im Laufe des letzten Jahrzehnts hat sich unsere Schule auf den Weg gemacht, eine „inklusive Schule“ zu werden. Ein anderer offizieller Ausdruck dafür ist „Schule des gemeinsamen Lernens“. Das bedeutet nichts anderes, als dass auch Kinder mit einer Beeinträchtigung an unserer Schule aufgenommen werden können und dadurch im gewohnten Umfeld und mit den Freund*innen aus der Zeit vor der Einschulung zusammenbleiben können. In den allermeisten Fällen wird dies von der Schulaufsicht genehmigt.
Dadurch sind die Klassen an unserer Schule vielfältiger geworden und in der Folge wurde das Lernen passender auf die einzelnen Kinder zugeschnitten. Dies kommt den langsamer lernenden Kindern genauso zugute wie den Kindern mit schneller Auffassungsgabe oder mit besonderen Begabungen. In der Realität des schulischen Lernens hat sich dadurch einiges verändert. Der Anteil an Unterricht, bei dem die Lehrerin vor der Klasse steht und alle Kinder gleichzeitig mit demselben Stoff „belehrt“, der sogenannte „Frontalunterricht“, hat stark abgenommen und findet meist nur noch bei grundlegenden Einführungen neuer Sachverhalte oder in kleinen Gruppen statt. (Auch lange vor der „Inklusion“ gab es wissenschaftliche Untersuchungen, die den Ertrag eines ausschließlich belehrenden Frontalunterrichts als eher gering einstuften.)
Zugenommen hat in unserer Schule dagegen der Anteil an Unterricht, in dem jedes Kind an Aufgaben arbeitet, die ihm passend von der Lehrerin zugeteilt werden und bei denen es oftmals auch ein Mitspracherecht hat. Dabei achtet die Lehrkraft darauf, dass jedes Kind eine solide Basis im Bereich der Mathematik und der deutschen Sprache erwirbt, um sich mit diesem Fundament schulisch und außerschulisch möglichst gut weiterentwickeln zu können.
Das kann z.B. konkret in einer Klasse so aussehen: in einem circa 15-minütigen Lerngespräch, das die Lehrerin etwa alle drei Wochen mit jedem Kind führt, kann es Lernvorhaben schildern, an denen es arbeiten will. Ebenso kann das Kind im Lerngespräch sagen, welche der von der Lehrerin vorgesehenen Aufgaben es für zu leicht, zu schwer oder unwichtig hält. Die Lehrerin akzeptiert dies oder sie erklärt dem Kind, warum sie der Meinung ist, dass es genau diesen Lernstoff dennoch bearbeiten sollte. Im Normalfall wird eine Lösung gefunden und das Kind beginnt motiviert mit der Arbeit an seinem neuen Arbeitsplan.
Damit nun nicht jeder Schüler und jede Schülerin nur noch allein vor sich hin arbeitet, gibt es eine Runde, in der Arbeitsergebnisse vorgestellt werden können. Hier erfährt das Kind Rückmeldung aus der Lerngruppe. Diese fällt nach einer gewissen Zeit der Eingewöhnung im Allgemeinen sachlich und fair aus, so dass alle Kinder immer wieder motiviert sind, Ergebnisse, die ihnen etwas bedeuten, vor der Klasse vorzustellen. Auf diese Weise sind auch die zuhörenden Kinder motiviert, ihrerseits z.B. eine Geschichte zu schreiben oder das blitzschnelle Kopfrechnen zu trainieren.
Das Beispiel oben zeigt: Kinder können gemeinsam in einer Klasse lernen, auch wenn sie teilweise ganz unterschiedlich lernen. Sie lernen auch Werte, die uns wichtig sind und die wir an die nächste bzw. übernächste Generation weitergeben wollen. Es sind Werte wie Solidarität mit Schwächeren, neidloses Akzeptieren von Stärken, die nicht jeder hat, Mitfühlen mit anderen Menschen, Entwickeln von Verantwortungsgefühl für einander. Solche Werte lassen sich nicht durch Belehrung vermitteln sondern nur durch Erleben.