Jahrgangsübergreifendes Lernen: Das heißt, es lernen 1. und 2. Klässler mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen sowie Stärken und Schwächen zusammen in einer Klasse. Sie arbeiten manchmal an gemeinsamen Themen, manchmal an unterschiedlichen Themen, manchmal miteinander und manchmal voneinander.
Wie funktioniert das eigentlich?
Vielleicht ist es an einem Schultag gut zu erklären:
An einem Dienstagmorgen kommt Niko durch die Tür in die Klasse, es ist 7.45 Uhr. Auch Elisa ist schon früh da und fragt, ob sie schon in die Bücherei darf. Da sie sich aber nicht alleine traut, kommt Niko gerne mit und zeigt ihr noch einmal den Weg zur Bücherei und den Ablauf dort. Er ist das zweite Jahr in unserer Schule und er kennt sich schon gut aus. Niko ist sehr stolz, dass er Elisa helfen kann, denn manchmal in Mathe hat er das Gefühl, dass er das Thema, das zur Zeit gemacht wird, nicht so gut beherrscht und er sich unsicher fühlt. Und seitdem die 1. Klässler bei ihm in der Klasse sind, gibt es plötzlich so viele Dinge, die er besser kann als andere Kinder, oder, wo er schon merkt, dass er einfach viel sicherer ist und ganz viel helfen und erklären kann… Das tut ihm richtig gut und macht ihn stolz.
Die erste Stunde beginnt. Jasmin meldet sich, um den Tag an der Tafel vorne vorzustellen. Sie hat nun so oft zugeschaut, wenn die älteren Schulkinder den Tag vorstellen, jetzt fühlt sie sich sicher genug, es auch einmal zu probieren. Gut, dass sie bei den größeren Schülern, die schon das zweite Jahr in der Schule sind, immer zuschauen konnte. Das hat ihr sehr geholfen und sie selbstbewusster und mutiger gemacht.
In der ersten Stunde findet heute der Deutschunterricht statt. Die 1. Klässler dürfen schon alleine an ihren Buchstabenheften weiterarbeiten, das haben sie schon oft geübt und können mittlerweile schon viele Aufgaben, ohne dass ihnen ein Mitschüler oder eine Lehrkraft helfen muss. Lino findet es trotzdem auch interessant, was die 2. Klässler vorne an der Tafel besprechen. Sie erklären, dass alle Menschen, Tiere, Dinge und Pflanzen am Anfang groß geschrieben werden. Lino schreibt in seinem Buchstabenheft gleich das Nomen Elefant am Anfang groß, denn das ist ja ein Tier, und die Regel hat er sich schon gemerkt, obwohl er doch erst in die 1. Klasse geht.
In der 2. Stunde ist Mathe. Alle versammeln sich zusammen in einem großen Stuhlkreis. Es werden Plusaufgaben zusammen mit Material gelegt. Michael sieht die Plusaufgabe 3+3+3+3=12, Paul weiß dazu die passende Aufgabe aus dem Einmaleins: 4x3=12. Somit lernen alle Kinder an einem Gegenstand und jeder schreibt die Aufgaben dazu, die er dazu schreiben kann. Sina hat schon alle Aufgaben bearbeitet und hat sogar schon den Trick verstanden, wie man mit Zehnerzahlen multipliziert. Begeistert denkt sie sich die ganz schweren Einmaleins-Aufgaben aus, die sogar schon über 100 hinausgehen.
Im Sachunterricht dreht sich alles um das Thema Frühblüher. Der Schüler Michael aus der ersten Klasse kennt schon alle Frühblüher, die vorne auf dem Tisch stehen mit Namen, Tulpen, Schneeglöckchen, Osterglocken, Hyazinthen … Die Kinder der Klasse staunen, dass sich Michael schon so gut auskennt. Gemeinsam schreiben sie Schilder für die Pflanzen, damit auch alle anderen Kinder die Namen der Frühblüher nennen können.
Jahrgangsübergreifendes Lernen heißt, dass alle gemeinsam lernen, dass alle miteinander lernen, dass alle voneinander lernen, dass alle sich gemeinsam unterstützen, wie zum Beispiel in einer Partner- oder Gruppenarbeit. Jedes Kind ist einmal in der Position des Helfers, jeder aber auch mal dankbar dafür, dass es erfahrene Kinder gibt, die die Kinder unterstützen und ihnen zur Seite stehen.